Pflanzen brauchen keine Namen, um sich zu vermehren. Wir selbst brauchen die Namen, um uns zu informieren und uns auszutauschen. Wenn wir eine schöne Blüte sehen oder leckere Früchte gegessen haben, dann wollen wir uns mitteilen. Vielleicht posten wir ein Foto oder wir kennen den Namen. Botanische Namen bestehen aus zwei Teilen: Dem Gattungsnamen und dem Artnamen. Der Gattungsname ist so etwas wie der Nachname und der Artname der Vorname. Beide Namen sind lateinisch und führen zu einer klaren Benennung. Von den vielen Sorten sehen wir hier einmal ab. So heisst die weiße Narzisse: Narcissus poeticus, die poetische Narzisse.
Es gibt sehr viele Pflanzen und das hat dazu geführt, dass wir Menschen versuchen, die Pflanzen zu ordnen. Über einen langen Zeitraum bestand die Welt aus dem, was wir sehen und anfassen können. Die Pflanzen wurden dabei aufgrund ihres Blütenaufbaus und ihrer Blätter geordnet. Diese Schema wurde von Herrn Linné entwickelt und es entstand eine großes System der Pflanzen mit seinen Klassen und Ordnungen sowie Familien. Den Familien werden dabei die ganzen Nachnamen und Vornamen zugeordnet. Die Narzisse gehört zur Familie der Amaryllisgewächse und diese Familie gehört wiederum zur Ordnung der spargelartigen Pflanzen. Ihr Blütenschema ist mit künstlerischer Freiheit abgebildet.
Die zunehmende Technisierung hat dazu geführt, dass die Molekularbiologen die Gene der Pflanzen entschlüsselt und viele Inhaltsstoffe kategorisiert haben. Diese Arbeit hat seit 1998 dazu geführt, dass eine zunehmende Flut an Daten über die Pflanzen entstanden ist. Mit dieser Datenflut begannen die Wissenschaftler, die Pflanzen neu zu ordnen und sie sind damit noch nicht ganz fertig. Eine Gruppe von Botanikern, die Angiosperm Phylogeny Group, hat das APG-System entwickelt, das sich im Wettbewerb um andere System als neue Klassifikation durchgesetzt hat. Seit 2016 liegt nun die vierte Version APG IV vor. Die Pflanzen sind jetzt aufgrund ihrer “digitalen Identität” zusammengestellt worden. Sie ist für uns nicht überprüfbar und eigentlich nicht zu verstehen. Wir können diese Ordnung ignorieren oder aber unseren eigenen Weg finden, mit der neuen Ordnung umzugehen und unsere Wahrnehmung erweitern.
Was können wir für uns selbst aus der Geschichte lernen?
Auch wir selbst haben mit Zunahme der Digitalisierung neben unserer analogen Identität eine digitale Identität, auch wenn uns das selbst nicht bewusst ist. Während wir unsere analoge Identität reflektieren können und sie uns vertraut ist, bleibt die digitale Identiät für uns selbst meist eine BlackBox. Indem große Unternehmen mit monopolistischer Präsenz fleißig Daten über uns sammeln und uns mit kostenlosen Angeboten dazu animieren, noch mehr Daten von uns preiszugeben, entstehen durch das Zusammenfügen von diesen Daten digitale Identitäten.
Digitale Identitäten können dazu genutzt werden, uns gezielt zu beeinflussen ohne das wir das selbst bewusst wahrnehmen. Wir können in Bezug auf unserer Informationsangebot, unser Kaufverhalten und auf unsere Meinungsbildung beeinflusst werden und vielleicht können wir sogar abhängig von bestimmten digitalen Informationskanälen werden. Können wir ohne facebook, amazon, google, twitter und apple nicht nur klarkommen, sondern ohne Einschränkung leben? Welche Informationssuchmaschinen neben google kennen und nutzen wir? Und können wir uns vorstellen für unseren Blog zu zahlen und nicht mit den Daten der Besucher bezahlen zu lassen?
Es geht letztlich nicht um den Verzicht auf digitale Errungenschaften, sondern um die Annahme, die Begrenzung und den bewussten Umgang. Die Digitalisierung hat uns alle längst erreicht: Alles, was uns wirklich erreicht und bewegt, verändert uns. Veränderung ist aber nichts anderes als eine Bewegung, die unumkehrbar ist - wie der Flug eines Ahornsamens!