Keine Pflanze wächst isoliert und ihr Charakter zeigt sich erst in der Betrachtung der Vegetation und vor allem in der Interaktion mit dem Menschen. Häufig reißen wir die Pflanzen aus ihrer gewohnten Umgebung und kultivieren sie wegen ihrer Schönheit oder zu unserem Nutzen. Auch wenn wir die Wildpflanzen betrachten, so tun wir dies meist im Hinblick auf ihre Heilwirkung für uns und wir beschäftigen uns mit ihren Eigenschaften, die wir zu ordnen versuchen.
Eine bekannte Wildpflanze ist das Veilchen. Neben dem Duftveilchen, Viola odorata, können wir bei genauem hinsehen vielleicht auch Viola tricolor in der Wiese entdecken. Sie wird bei verschiedenen Hautleiden verwendet und wirkt entzündungshemmend. Darüber hinaus wurde dieses kleine Veilchen schon lange gezüchtet und ist im Frühjahr und Herbst als Balkonpflanze mit großen Blüten im Handel. Nach der Blüte verlieren wir die Pflanzen aus den Augen oder werfen sie häufig weg und so wissen wir eigentlich gar nicht wie die Frucht und der Samen des Veilchens aussieht.
Gehen wir zurück zur Wiese. Wenn wir die Vegetation betrachten, dann gibt es Pionierpflanzen, die eine Fläche zuerst besiedeln und es gibt die Lückenbüßer.
Unter den Wildpflanzen ist der Löwenzahn, Taraxacum officinale, ein typischer Lückenbüßer. Als Lückenbüßer bezeichnet man jemanden, der ein Loch zwischen zwei Abschnitten oder Bereichen vorübergehend schließt.
Der Lückenbüßer fungiert als eine Art Puffer, der einen Schmerz mildert und einen Kraftlosen stärkt. Er wird angenommen, aber nur vorübergehend und ihm gelingt es nicht, die volle Wertschätzung zu erhalten oder der volle Ersatz zu werden.
Der Löwenzahn taucht auf intensiv genutzten Flächen auf, die reichlich gedüngt sind und füllt dort die Lücken. So ist er zwar ein ungeliebter aber häufiger Gast auf den Rasenflächen oder nassen Stellen. Er macht sich mit seiner Rosette richtig breit und nimmt alle Schadstoffe und den vielen Stickstoff des Boden gierig auf. Bereits nach kurzer Zeit beginnt er zu blühen und seine Samen suchen mit der Hilfe des Windes die nächsten Lücken.
Auch für uns Menschen füllt der Löwenzahn mit seinen Bitterstoffen im Frühjahr eine Lücke. Noch ehe das erste im Frühjahr gesäte Gemüse erntereif ist, schenken uns die zarten Löwenzahnblätter einen reinigenden und belebenden Salat. Die Ernte seiner Wurzeln im Herbst sorgt dann gleichzeitig für seine Dezimierung und vielleicht kann dann mit reduziertem Stickstoffgehalt auch das Gras wieder Fuß fassen. Wir nehmen den Löwenzahn dankbar an, wenn wir uns im Frühjahr kräftigen wollen oder als Kinder die Pusteblume pusten, eine Zierde oder Schönheit wird er jedoch nicht werden. Aufgrund seines aggressiven und eigennützigen Dranges, sich auf der Frühlingswiese zu behaupten, wird er von vielen Landwirten gar verteufelt.
Für seine Samenbildung benötigt der Löwenzahn keine Bestäuber: Im Gegensatz zu dem normalen Generationswechsel unterbleibt die Meiose und aus dem Embryosack, der normalerweise durch den Pollen befruchtet werden muss, wächst gleich der Samen heran. Aufgrund dieser “unbefruchteten Empfängnis”, das heißt wissenschaftlich Agamospermie, wurde der Löwenzahn mit der unbefleckten Empfängnis der Maria in Verbindung gebracht und taucht häufig neben dem Marienbild auf.
Eine andere Art des Löwenzahns, Taraxacum kok-saghyz, wird möglicherweise bald ihren großen Auftritt haben. Es könnte der bisherige Lieferant für Naturkautschuk, Hevea brasiliensis, durch den kleinen Löwenzahn abgelöst werden. Unsere Welt ist bisher ohne den bis zu 30 Meter hohen Baum mit seinem gummiartigen milchig weißen Saft nicht denkbar. Auch wenn bis zu 60% des Kautschuk heute synthetisch hergestellt wird, bleibt er als Ergänzung unverzichtbar. Die industrialisierte Welt muss überall “gepuffert” werden, damit sie “rund” läuft und halbwegs leise ist. Schläuche, Leitungen, Gummihandschuhe, Förderbänder, Reifen, Dichtungen, viele Matratzen … überall ist der Kautschuk im Einsatz.
Der in Asien heimische Löwenzahn enthält in seinen Wurzeln Kautschuk, dessen Qualität ebenso gut ist, wie die des Kautschukbaumes. Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Anbauregion liegt für die produzierende Industrie vor der Haustür und die fünfjährige Wartezeit bis von jungen Bäumen erstmals der Kautschuk entnommen werden kann, entfällt ebenso. Es wäre außerdem für den Kautschukbaum wunderbar, wenn er nicht mehr “seine weißen Tränen vergießen müsste”. Neben dem Kautschukbaum gibt es weitere Pflanzen, die uns helfen, die Heftigkeit von Veränderungen erträglich zu machen. Dabei geht es immer um die Dämpfung bzw. die Regulierung von Situationen. Wir können darüber nachdenken, wie wir Einflüsse dämpfen und was uns selbst wieder in unsere Mitte bringt und beruhigt. Gerade die Zeit der Sommersonnenwende, wo wir anfangen, die Kräuterbüsche zusammenzustellen, kann uns klären, welche Kräuter wir selbst als Ausgleich brauchen.
weitere Anregung zu den dämpfenden Pflanzen:
Puffer Pflanzen- Buffer plants
Pflanzenposter mit Pflanzenillustrationen und Kurztexten