Grenzen des Wachstums

Irgendwann ist einfach Schluss. Auch die großen Baumriesen stellen ab einer Höhe von 100 Metern ihr Höhenwachstum ein. Warum wachsen sie nicht weiter in die Höhe? Was sind ihre Begrenzungen und was können wir von ihnen lernen?

Ein Kompromiss aus Effizienz und Sicherheit

Die Baumriesen müssen das Wasser von den Wurzeln nach ganz oben zu den Blättern transportieren, damit die Blätter Photosynthese betreiben und transpirieren können. In den Wasserleitungsbahnen, die Tracheiden genannt werden, steht das Wasser quasi unter dauerhafter Spannung und muss gepumpt und hochgesogen werden. Ab einer bestimmten Höhe kann diese Druck- und Sogleistung nicht mehr aufrecht erhalten werden und das ist bei den größten Bäumen ab 100 Meter Höhe der Fall. Würde der Baum dennoch höher wachsen, so wäre dies nicht mehr effizient, weil nicht genügend Wasser ankommen würde. Zudem wäre es auch riskant, weil möglicherweise bei einem Abreißen des Soges Luft in die Wasserleitungsbahn gelangen könnte und die Versorgung dann für die Leitungsbahn komplett gestört wäre.

Regenwaldbäume

Den Energiefluß positiv gestalten

Es gibt ganz unterschiedlich große Blätter, aber fast alle ganz großen Bäume zeichnen sich durch viele mittelgroße Blätter aus. Während Bäume bis zu einer Höhe von 30 m, wie wir sie hier in den gemäßigten Breiten kennen, manchmal ganz kleine oder auch relativ große Blätter aufweisen, verengt sich das Spektrum bei ganz großen Bäumen und die Blätter sind im Schnitt zwischen 10 und 20 cm lang. Diese Blattgröße ist für die Baumriesen optimal: Die Blätter produzieren den zuckerhaltigen Nährsaft, der über Nährstoffleitungsbahnen, sie werden Phloem genannt, abtransportiert werden. Der Fluß der energiereichen Nährstoffe entsteht wiederum durch osmotische Druckunterschiede zwischen dem Blattgewebe und den übrigen Organen und durch den Gravitationsdruck im Stamm. Wenn die Blätter zu klein sind entsteht kein Fluß, sind sie zu groß, wird der Fluß durch den Widerstand im Stamm begrenzt.

blätter der Regenwaldbäume

Vorräte im Blick haben:

Die Baumriesen der Regenwälder gelten als die Retter unseres Klimas, weil sie Kohlenstoffdioxid aufnehmen und in Sauerstoff und Biomasse wandeln. Die Aufnahmefähigkeit des Kohlenstoffdioxids ist jedoch nicht nur von einem möglichst intakten Ökosystem abhängig, sondern auch von dem Phosphorgehalt des Bodens. In dem Ökosystem des Amazonasgebietes, das bereits viele Millionen Jahre alt ist, sind die Vorkommen an Phosphor im Gegensatz zu den Wäldern der gemäßigten Breiten begrenzt. Nur wenn es den Bäumen gelingt, sich auch diesen Nährstoff in ausreichendem Maß verfügbar zu machen, kann möglicherweise eine erhöhte Kohlenstoffdioxidmenge umgewandelt werden.

Die Anerkennung von Notwendigkeiten und Grenzen

Im Hinblick auf uns selbst können wir von den Bäumen lernen, dass unsere Bedürfnisse auf Notwendigkeiten beruhen und diese unterschiedlichen Notwendigkeiten wechselseitig berücksichtigt werden müssen. Hinter unseren Bedürfnissen steht oft wie bei den Bäumen der Wunsch nach Sicherheit und Anerkennung. Im Gegensatz zu den Baumriesen können wir unseren Energiefluß bewußt steuern und damit unsere “Blattgröße” selbst bestimmen.
Es kommt in unserem Leben oft vor, dass unser Energiefluss stockt. Wir spüren Widerstände, Stillstand und empfinden Enttäuschung. Vielleicht haben wir zu wenig Energie oder zu kleine Blätter gebildet und empfinden Blockaden. Oder wir haben viel Energie und stoßen mit unserem Veränderungsprozess auf Widerstand. Bei der Enttäuschung fehlt möglicherweise ein Bewusstsein wie die Energie überhaupt fließt.
Es gibt die Möglichkeit, so weiter zu machen wie bisher und auf das zu schauen, was wir haben und mit den Blockaden, Enttäuschungen und Widerständen einfach zu leben. Wir können aber auch den “unbequemen” Weg der Veränderung gehen. Dabei können wir neue Potenziale oder “Vorräte” in uns entdecken, so wie die Vielfalt der Pflanzen auch nicht vor der eigenen Haustür endet. Und wir können Grenzen bewusst wahrnehmen und sie als Anregung zur Focussierung annehmen. Die Pflanzen können auf verschiedene Weise einen Beitrag für unser Wohlbefinden und unseren Energiefluß auf ganz unterschiedlicher Ebene liefern, wenn wir uns ihnen öffnen.

Im Gegensatz zu uns Menschen, können die Pflanzen nicht über ihre Grenzen gehen und sie bleiben auch nicht unter ihren Möglichkeiten. Vielleicht erscheinen sie uns deshalb oft so harmonisch!