Übergabe an den Wind

Der goldene Herbst schenkt uns das Farbspiel der Laubblätter, die mit dem Wind durch die Luft gewirbelt werden. Der Laubfall erinnert uns daran, bei uns selbst aufzuräumen und das, was wir nicht mehr brauchen, wegzugeben. Das Thema Loslassen beschränkt sich jedoch nicht auf unser Zuhause. Wir müssen auch Erwartungen loslassen, Verbindungen lösen und Verhaltensmuster in uns selbst auflösen, wenn wir wachsen wollen. Warum fällt das Loslassen auf den verschiedenen Ebenen manchmal so schwer?

Vom Abgeben der Kontrolle

Das Loslassen hat natürlich mit unserem “Ego” zu tun. Wir wollen freiwillig in den seltensten Fällen wirklich abgeben. Die Bäume werden in unseren Breiten aufgrund der kühleren Temperaturen dazu gezwungen. Dort, wo die Temperaturen gleichbleibend hoch sind, behalten die Bäume ihre Blätter und erneuern sie nach etwa sieben Jahren. Der Auslöser vom Abgeben ist oft eine Einschränkung von Außen, die zunächst schmerzlich ist oder es ist eine bewusste Entscheidung von Innen oder ein Mix aus beidem. Hinter dem Loslassen steht als eigentlicher Schritt die Abgabe der Kontrolle: Der Kontrolle über Entscheidungen, über Wissen und Macht, die sich auch in Materie ausdrückt.

Übergabe an den Wind, den Geist der Fülle

Die Bäume übergeben im Herbst nicht nur ihre Blätter an den Wind, der dann mit ihnen zu spielen beginnt. So wie im Frühjahr viele für unser Auge meist unsichtbare Pollen an den Wind übergeben werden, so gehen im Herbst auch viele Samen mit dem Wind auf ihre Reise. Der Wind ist die ursprüngliche Form der Verbreitung von Pollen und Samen, bevor die Pflanzen mit der Welt der Tiere zuverlässige Kooperationen gebildet haben.

Samen der Ballonblume

Der Wind kann auch uns aufwirbeln: Wir können “durch den Wind sein” oder windzerzaust sein. Der Wind kann uns auch seine Lieder singen und Antworten für uns bereit halten. Der Wind bläst nicht nur Sachen fort und rüttelt uns auf, sondern es fliegen uns auch Samen zu. Für mich ist der Wind das Element der Luft, ein Geist, der uns Fülle schenken kann. Indem wir unser “Ego” weniger nähren und uns stattdessen in den Kontext der Gemeinschaft und Umwelt fügen und niemandem Schaden, erleben wir Fülle.
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Angebot an Möglichkeiten

Die Samen, die uns zufliegen, spiegeln uns nicht die Hoffnung der Knospen oder den Beginn des Wachstums wie dies beim Keimling der Fall ist. Zufliegende Samen sind ein Angebot an Möglichkeiten. Jeder Same beinhaltet ein Entwicklungspotenzial und die vielen Samen stellen eine Fülle von Potenzialen dar. Es ist unsere Aufgabe, auf die vielen Möglichkeiten um uns herum zu reagieren: Wir müssen uns entscheiden! Wir müssen viele Möglichkeiten ablehnen und uns für ein oder zwei Möglichkeiten entscheiden. Häufig kommt es dabei in uns selbst zu Konflikten.

Annahme

Wenn uns beispielsweise der Samen der Seidenpflanze zufliegt, dann hängt die Verwirklichung seines Potenzials buchstäblich an seidenen Fäden. Der Samen braucht in der Natur das Glück, an einen Platz geflogen zu werden, an dem er wachsen kann. Wenn er uns zufliegt, dann braucht er das Glück, ausgewählt und angenommen zu werden.
Unsere Wahl erfolgt meist instinktiv und im Gegensatz zur digitalisierten Welt regiert bei uns selbst nicht die Logik. Wir brauchen das Gefühl, wertvoll zu sein, etwas bewegen zu können und verbunden zu sein. Erst wenn wir den Samen annehmen und uns für ihn verantwortlich fühlen, wird sich sein Potenzial entfalten. Und dazu braucht der Samen viel Unterstützung, wie ich sie auch von meinen Freundinnen erfahre, denen ich an dieser Stelle ganz herzlich danke.

Ballonblume

weitere Anregung zu “antidotal” Pflanzen:
Pflanzen als Gegenmittel - Antidotal plants
Pflanzenposter mit Pflanzenillustrationen und Kurztexten