Vom Wachsen

Vom Wachstum ist ständig die Rede: Vor allem im politischen und wirtschaftlichen Kontext dreht sich nahezu alles um Wirtschaftswachstum, Unternehmenswachstum oder Städtewachstum. Es geht dabei, wie auch in der Biologie oder Mathematik, immer um die Zunahme einer bestehenden Größe in einer bestimmten Zeit. In unserer Gesellschaft geht es dabei um die Zunahme der Produktivität. Was können wir vom Wachstum der Pflanzen lernen? Und wie wollen wir wachsen?

minimumtonne

Vom Gesetz des Minimums

Bei der Nährstoffaufnahme gilt in der Pflanzenwelt das Gesetz des Minimums. Der Nährstoff, der am wenigsten vorhanden ist, ist der Begrenzer des Wachstums. Ein weiterer Begrenzer sind Temperatur und Luftfeuchte sowie die Sonneneinstrahlung in Dauer und Intensität.
Auch bei uns selbst gibt es “Begrenzer”: In unserer Kultur ist es weniger die Nahrung als viel mehr unsere Umgebung, unsere Beziehungen und unser Selbstwertgefühl.
Wieviel Licht bekommen wir? Können wir uns entfalten? Werden wir gestärkt? Und haben wir ein Gefühl, wie großartig wir selbst sind?
Wir können uns auch fragen: Was ist unsere Schwachstelle und wie können wir sie ausgleichen? Denn im Gegensatz zu den Pflanzen können wir unsere Schwachstelle annehmen und sie dadurch wandeln. Wenn wir das nicht tun, dann bekommen wir von Außen unseren Spiegel vorgehalten: Alles, was wir in Situationen oder gegenüber anderen Menschen “furchtbar” finden, ist nichts anderes als die Weigerung, unserer eigenen “Angst” zu begegnen.

mammutbaum

Wachsen jenseits der Zeit

Die Pflanzen wachsen im Gegensatz zu uns und der Wirtschaft nahezu unbegrenzt. Wie schaffen sie das? Die eindrucksvollsten Pflanzenriesen sind die Mammutbäume. Sie stehen heute unter Naturschutz und sind die großen mahnenden grünen Kathedralen. Einige von ihnen werden über 100 Meter hoch und viele von ihnen sind bereits mehr als 1000 Jahre alt. Wenn wir uns ihnen nähern, dann löst sich unser Zeitgefühl auf, es wird unbedeutend. Wir spüren Ruhe. Beruhigend wirkt, dass wir ihr Wachstum nicht wahrnehmen. Die Riesen wachsen nur an bestimmten Stellen, nicht überall gleichzeitig. Diese Stellen verfügen über zellteilungsfähiges Gewebe, das Meristem. Nach einer Zeit des Wachsens, legen die Pflanzengiganten ausgedehnte Ruhephasen ein und sie bilden mit ihren Zapfen Organe, deren Wachstum begrenzt ist. Entscheidend für ihre Langlebigkeit ist ein ausgeprägtes Rhythmusgefühl und das sie nicht überall gleichzeitig wachsen. Auch wir selbst müssen jeweils unseren Rhythmus finden und uns neben Ruhephasen auf bestimmte Bereiche konzentrieren, in denen wir an Herausforderungen “wachsen” wollen.

eule

Über uns hinaus wachsen

Im Gegensatz zu immer neuen Produktivitätsrekorden und Konsumorientierung können wir anders wachsen: Nicht nur an unseren Herausforderungen, sondern über uns hinaus, jenseits von uns.
Die Fürsorge für unsere Mitmenschen, unsere Tiere und die Umwelt schenken uns Achtsamkeit. Die Wertschätzung des Handwerks mit seiner Präzision und Detailtreue sowie der bewahrenden Tradition kann uns regional “verwurzeln”. Und dann gibt es noch die Kreativität: Sie kann eine Anziehung auf uns ausüben, weil etwas in einem Prozess neu wieder entsteht. Denn alles Neue war schon einmal da, es wird “nur” wieder erinnert. Wir schöpfen mit jeweils unseren Möglichkeiten aus einem “Urbrunnen” und kreieren etwas auf unsere Weise und verweben es mit unserer Umgebung. Und manchmal brauchen wir einen “weisen Begleiter” wie die Eule, den Raben oder in den Tropen den Papagei!

  • Wachsen bedeutet, uns selbst anzunehmen
  • Unseren Rhythmus finden und auf das Wesentliche besinnen
  • Fürsorge für Mitmenschen, Tiere und Umwelt zu leben
  • das Handwerk fördern und Kreativität leben und lieben!